Das Sicherheitsniveau technischer Anlagen in Deutschland ist hoch. Das geht aus dem Anlagensicherheitsreport 2014 der zugelassenen Überwachungsstellen (ZÜS) hervor, der heute vom Verband der TÜV e.V. (VdTÜV) in Berlin vorgestellt wurde. Dennoch gibt es Sicherheitsmängel an technischen Industrieanlagen, die erst durch unabhängige Prüfungen erkannt werden. Deutliche Sicherheitslücken sehen die Experten bei den Aufzugsanlagen. Die Pläne der Bundesregierung, künftig bei Tanklagern und anderen Anlagen mit brennbaren Flüssigkeiten auf die unabhängige Prüfung zu verzichten, lehnt der VdTÜV wegen erheblicher Sicherheitsbedenken entschieden ab.
Für den Anlagensicherheitsreport 2014 wertete der VdTÜV die gesetzlich vorgeschriebenen Prüfungen von überwachungsbedürftigen Anlagen im Kalenderjahr 2013 aus.
Die regelmäßige Überwachung gefährlicher Anlagen regelt in Deutschland die Betriebssicherheitsverordnung. Die für die Prüfung zugelassenen Überwachungsstellen müssen unabhängig vom Betreiber einer Anlage sein und werden ihrerseits von den Behörden streng überwacht. „Dieses System hat sich hervorragend bewährt und trägt in Deutschland zu einer vorbildlichen Sicherheitskultur bei“, erläuterte Dr. Klaus Brüggemann, Geschäftsführendes Präsidiumsmitglied des VdTÜV.
Die vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) betriebene Novellierung der Betriebssicherheitsverordnung sieht vor, bei Anlagen mit brennbaren Flüssigkeiten die Pflicht einer unabhängigen Prüfung abzuschaffen. Stattdessen sollen die Unternehmen ihre Anlagen selbst prüfen. „Das würde bedeuten, dass künftig Tanklager oder Anlagen in Raffinerien zu keinem Zeitpunkt mehr von einer unabhängigen Stelle überwacht werden, obwohl von ihnen eine erhebliche Gefahr für Menschen und Umwelt ausgehen kann“, kritisierte Dr. Brüggemann. Bei Aufzugsanlagen, die täglich von Millionen Menschen genutzt werden, sieht die Novellierung durch einen Verzicht auf die unangekündigten und unabhängigen Zwischenprüfungen eine drastische Verlängerung der Prüffristen vor. Die Folgen für die Anlagensicherheit sind unkalkulierbar.
„Ex-elh“-Anlagen: unabhängige Prüfung erhalten!
Spätestens seit der verheerenden Katastrophe im englischen Buncefield im Jahr 2005 ist die potentielle Gefahr von Tanklagern oder Raffinerien wieder ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt. Als Ex-elh-Anlagen werden Anlagen in explosionsgefährdeten Bereichen und Anlagen zur Lagerung und Abfüllung bestimmter entzündbarer Flüssigkeiten bezeichnet. Die Auswertung der Prüfungen lässt auf ein hohes Sicherheitsniveau schließen: Rund 83 Prozent der Lageranlagen waren bei der Prüfung mängelfrei, rund 3 Prozent wiesen erhebliche Mängel auf. Bei Füll- und Entleerstellen ergab sich ein ähnliches Bild: Hier waren 74 Prozent mängelfrei, an 6 Prozent fanden sich erhebliche Mängel.
„Sollte hier die unabhängige Prüfung wegfallen, wird es mehr Anlagen mit gefährlichen Mängeln geben, weil dadurch ein Anreiz zur regelmäßigen Wartung wegfiele“, erläuterte Dr. Klaus Brüggemann. Darüber hinaus könnten künftig gefährliche Anlagen bereits mit unerkannten Mängeln in Betrieb gehen. Denn schon bei der Prüfung vor Inbetriebnahme seien erhebliche Mängel bei immerhin 5 Prozent aller Lageranlagen festgestellt worden.
Unabhängige Prüfung sorgt für Sicherheit. Das wird bei Tankstellen besonders deutlich: Von allen 4.445 geprüften Tankstellen waren im Jahr 2013 über die Hälfte (51,5 Prozent) mängelfrei, 24,7 Prozent wiesen geringfügige Mängel auf, an 23,6 Prozent stellten die Prüfer erhebliche Mängel fest, die erst durch die ZÜS-Prüfung erkannt und beseitigt wurden.
Druckanlagen: überwiegend in gutem Zustand
Bei über 300.000 Prüfungen von Druckbehälteranlagen war mit 76 Prozent der überwiegende Teil mängelfrei. Geringfügige Mängel wiesen rund 18 Prozent auf, erhebliche Mängel hatten rund 6 Prozent der Anlagen. Die rund 27.000 Prüfungen von Dampfkesselanlagen zeigen ein ähnliches Bild. Mängelfrei waren 78 Prozent, geringfügige Mängel hatten rund 18 Prozent und erhebliche Mängel wurden an rund 4 Prozent der Anlagen festgestellt. Der Anteil der Druckanlagen mit gefährlichen Mängeln, z. B. mit kritischen Rissen in Schweißverbindungen, lag bei unter einem Prozent. Insgesamt kann man hier also ein hohes Sicherheitsniveau feststellen. In absoluten Zahlen heißt das aber: an 197 Druckbehälter- und 31 Dampfkesselanlagen bestanden derart gravierende Mängel, dass sie nach der Prüfung durch die Zugelassene Überwachungsstelle (ZÜS) zur Sicherheit sofort stillgelegt werden mussten.
Aufzüge: Über die Hälfte hat Mängel – hohe Dunkelziffer
Aufzüge müssen jährlich geprüft werden, wobei Wiederkehrende („Haupt“-) und Zwischenprüfungen immer im Wechsel stattfinden. Bei diesen rund 480.000 Prüfungen stellten die Experten der zugelassenen Überwachungsstellen fest, dass mehr als die Hälfte (rund 51 Prozent) der Aufzugsanlagen Mängel aufweist. An rund 12 Prozent wurden sicherheitserhebliche Mängel angemahnt – etwa an Tragseilen, der Steuerung oder der Notrufeinrichtung -, deren Beseitigung durch eine Nachprüfung kontrolliert werden musste. Darüber hinaus schätzt der VdTÜV, dass mehr als 150.000 Anlagen überhaupt nicht geprüft werden, weil die Betreiber der gesetzlichen Prüfpflicht nicht mehr nachkommen. Die genaue Zahl ist nicht bekannt. Da über den Zustand dieser Anlagen nichts bekannt ist, fürchten die Experten eine hohe Dunkelziffer an Mängeln bei Aufzügen.
Nach den Plänen der Bundesregierung soll bei der Novellierung der Betriebssicherheitsverordnung die unabhängige und unangekündigte Zwischenprüfung von Aufzügen abgeschafft werden. Der Zeitraum zwischen zwei unabhängigen Prüfungen würde dadurch von einem auf zwei Jahre verlängert. „Vor dem Hintergrund der dokumentierten Mängelquoten und der erschreckend hohen Zahl nicht geprüfter Anlagen halten wir diese Änderung für gefährlich“, so Dr. Brüggemann. Die Experten fürchten einen weiteren Anstieg der Mängelquoten und eine deutliche Zunahme von Ausfällen und Unfällen in den kommenden Jahren.
Der Anlagensicherheitsreport 2014 erscheint in der VdTÜV-Zeitschrift „Technische Überwachung“. Mitgewirkt haben folgende Zugelassene Überwachungsstellen (ZÜS): DEKRA Industrial GmbH, DEKRA EXAM GmbH, GTÜ Anlagensicherheit GmbH, Lloyd´s Register Quality Assurance GmbH, SGS-TÜV GmbH, TÜV Austria Service GmbH, TÜV NORD Systems GmbH & Co. KG, TÜV Rheinland Industrie Service GmbH, TÜV SÜD Chemie Service GmbH, TÜV SÜD Industrie Service GmbH, TÜV Technische Überwachung Hessen GmbH und TÜV Thüringen e. V.