TÜV-Verband zum Entwurf für ein europäisches Sorgfaltspflichtengesetz

Der TÜV-Verband begrüßt den aktuellen Entwurf des EU-Sorgfaltspflichtengesetzes, fordert aber gesetzlich verankerte Kontrollen von unabhängigen Prüforganisationen in Risikosektoren.

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Berlin, 23. Februar 2022 – Der TÜV-Verband begrüßt den heute von der EU-Kommission veröffentlichten Entwurf für ein europäisches Sorgfaltspflichtengesetz. „Es besteht nun die historische Chance, in ganz Europa und für alle Unternehmen klare Spielregeln für die Einhaltung menschenrechtlicher und ökologischer Sorgfaltspflichten zu schaffen“, sagt Dr. Joachim Bühler, Geschäftsführer des TÜV-Verbands. „Der TÜV-Verband setzt sich seit langem für EU-weit einheitliche Vorgaben ein. Nach unseren Erkenntnissen unterstützt auch die Mehrheit der deutschen Unternehmen ein EU-Lieferkettengesetz und ist der Ansicht, dass menschenrechtliche und ökologische Sorgfalt in den Lieferketten zu ihrer unternehmerischen Verantwortung gehört. Wichtig sind aber einheitliche Wettbewerbsbedingungen. Sorgfaltspflichten dürfen nicht länger ein Wettbewerbsnachteil sein.“

Der TÜV-Verband befürwortet daher, die Pläne der EU-Kommission verbindliche Anforderungen bereits für Unternehmen ab 500 (in Risikosektoren ab 250) Mitarbeitenden zu schaffen, die gesamte Lieferkette zu berücksichtigen und auch umwelt- und klimabezogene Sorgfaltspflichten umfassend einzubeziehen. Damit geht der Gesetzesentwurf der EU-Kommission über das im letzten Jahr beschlossene deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz weit hinaus. Zu begrüßen ist auch, dass das Gesetz auf größere Firmen, die nicht aus der EU kommen, angewendet werden soll. Die EU-Kommission trägt damit der Sorge Rechnung, dass europäische Unternehmen im globalen Wettbewerb benachteiligt sein könnten.

Für eine erfolgreiche Umsetzung des Lieferkettengesetzes braucht es neben klaren Vorgaben auch wirksame Kontrollmechanismen. Bühler: „Zertifizierungen und Audits vor Ort durch unabhängige Dritte sind wichtige Instrumente, um Vertrauen in die einzelnen Glieder der Lieferkette zu schaffen. Insbesondere in Risikosektoren sollten Kontrollen von unabhängigen Prüforganisationen gesetzlich verankert werden. Zu den Risikosektoren zählen beispielsweise die Textilindustrie oder die Gewinnung bestimmter Rohstoffe wie Kobalt oder Coltan. Auch die Tätigkeit in Konfliktregionen könnte eine Voraussetzung für Drittprüfungen sein.“

Das Lieferkettengesetz wird einige Unternehmen aber auch vor Herausforderungen stellen. „Es fehlt kleineren Unternehmen häufig an personellen und finanziellen Ressourcen, um die Einhaltung sozialer und ökologischer Standards in der dritten, vierten oder fünften Stufe ihrer Lieferkette zu überprüfen“, sagt Bühler. Deshalb muss die Politik frühzeitig Beratungs- und Unterstützungsangebote schaffen, die Informationen darüber liefern, wie den Sorgfaltspflichten am besten nachzukommen ist. Das betrifft zum Beispiel Mindestanforderungen für die Erstellung eines Code of Conduct, geeignete Maßnahmen und Techniken für die Risikobewertung sowie Informationen zu digitalen Tools rund um ein nachhaltiges Lieferantenmanagement.

„Die Politik muss nachhaltiges Wirtschaften auch auf anderen Ebenen fördern und selbst mit gutem Beispiel vorangehen“, sagt Bühler. „Bei öffentlichen Aufträgen sollte beispielsweise der Preis nicht das alleinige Kriterium für eine Vergabe sein, sondern auch Nachhaltigkeitsaspekte wie die Produktionsbedingungen berücksichtigt werden.“

Der TÜV-Verband fordert nun ein schnelles Gesetzgebungsverfahren. Der heute von der Kommission vorgestellte Entwurf war ursprünglich für Juni 2021 geplant und wurde mehrfach verschoben.  „Weitere Verzögerungen darf es nicht geben“, betont Bühler. „Auch die Bundesregierung sollte sich auf EU-Ebene für eine schnelle und wirksame Regulierung einsetzen. Das haben SPD, Grüne und FDP auch in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart.“

Laut einer aktuellen Studie des TÜV-Verbands befürworten 56 Prozent der Unternehmen in Deutschland ab 25 Mitarbeiter:innen ein Lieferkettengesetz. Nur 29 Prozent lehnen das Gesetz ab und 15 Prozent sind unentschlossen. Vorteile einer gesetzlichen Regelung sind aus Sicht der 500 befragten Unternehmen die Entwicklung allgemeingültiger Standards für Sorgfaltspflichten (83 Prozent), einheitliche Wettbewerbsbedingungen (73 Prozent) und mehr Rechtssicherheit (73 Prozent). Weitere Ergebnisse der Studie sind hier abrufbar.