TÜV-Verband gegen mehr Wettbewerb auf Kosten der Verkehrssicherheit

Der TÜV-Verband lehnt die geplante Änderung der Straßenverkehrs-Zulassungs-Verordnung (StVZO) ab und warnt vor höheren Kosten und einer verschlechterten Versorgungssituation bei der sicherheitstechnischen Fahrzeugbegutachtung.

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28. August 2018 – Automobilzulieferer, Oldtimer-Fans, Fahrzeug-Importeure, Auto-Tuner und andere Fahrzeugbesitzer müssen mit höheren Kosten und einer verschlechterten Versorgungssituation bei der sicherheitstechnischen Begutachtung ihrer Fahrzeuge oder einzelner Fahrzeugteile rechnen. Davor warnt der TÜV-Verband. Hintergrund ist die geplante Änderung der Straßenverkehrs-Zulassungs-Verordnung (StVZO). Das Bundesverkehrsministerium (BMVI) reagiert mit der Gesetzesnovelle auf ein Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission, die diesen Markt für in- und ausländische Prüfdienste öffnen will. „Die TÜV-Unternehmen lehnen die Gesetzesänderungen ab, weil sich das bestehende System für den Schutz der Verkehrssicherheit in Deutschland bewährt hat“, sagte Dr. Joachim Bühler, Geschäftsführer des TÜV-Verbands, nach Abschluss der Verbändeanhörung zum Referentenentwurf des BMVI. Unternehmen und Fahrzeughalter profitierten von einem unabhängigen, hoch kompetenten, flächendeckend verfügbaren Service zu amtlich festgelegten und bundesweit einheitlichen Preisen. Bühler: „Wir fordern die Bundesregierung auf, zum Schutz der Verkehrsteilnehmer die bewährten nationalen Regelungen vor der EU-Kommission aktiv zu vertreten und notfalls vor dem EuGH durchzusetzen.“

Die amtlich anerkannten Sachverständigen in den „Technischen Prüfstellen“ der TÜV-Unternehmen und der DEKRA erstellen pro Jahr rund eine Million sicherheitstechnische Vollgutachten für Fahrzeuge und Fahrzeugteile. Auf dieser Basis erteilen die Zulassungsstellen der Länder die Betriebserlaubnis. Folgende Dienstleistungen erbringen die Prüfstellen:

  • Begutachtung von Sonderfahrzeugen mit besonderen Funktionen und einem hohen Gefährdungspotenzial.
  • Begutachtung von Bauartveränderungen an Fahrzeugen, zum Beispiel das Anbringen von Tuning-Teilen ohne EU-Zulassung.
  • Begutachtung von Fahrzeugen, die älter als 30 Jahre alt sind, für die Zuteilung eines Oldtimer-Kennzeichens.
  • Import-Fahrzeuge, die keine Typgenehmigung in der EU haben, müssen ebenfalls einzeln begutachtet werden. Dabei wird geprüft, ob die Vorgaben der Importfahrzeug-Richtlinie umgesetzt wurden.
  • Begutachtung von Lkws mit Überlänge für Großraum- und Schwerlasttransporte.
  • Begutachtung von Elektro-Kleinstfahrzeugen.
     

Mit der geplanten Gesetzesänderung wird den Technischen Prüfstellen aus Sicht des TÜV-Verbands mittelfristig die Geschäftsgrundlage entzogen. „Die Technischen Prüfstellen nehmen gemeinwirtschaftliche und hoheitliche Aufgaben im Bereich der Verkehrssicherheit und des Umweltschutzes wahr“, sagte Bühler. Die Prüfstellen unterliegen der Aufsicht der Länder, einer Betriebspflicht sowie einem staatlichen Flächenversorgungsauftrag – im Umkreis von 25 Kilometer einer Ortschaft muss sich eine Untersuchungsstelle befinden. Zudem dürfen sie keinen auf Gewinn abzielenden Geschäftsbetrieb unterhalten. Stattdessen werden die Gebühren vom Verkehrsministerium festgelegt. „Vergleichbare Pflichten fehlen für andere Prüforganisationen“, sagte Bühler. „Die TÜV-Unternehmen haben im Vertrauen auf die bestehende Rechtslage umfangreich in Grundstücke, Gebäude und vor allem hochmoderne Prüftechnik investiert. Bei einer Öffnung des Marktes sind viele Standorte nicht mehr wirtschaftlich zu betreiben.“ Nach einer Marktbereinigung infolge der Liberalisierung dürften die Kosten für Fahrzeughalter und Unternehmen in Höhe von durchschnittlich ca. 80 Euro pro Gutachten kräftig steigen.

Ein hohes Gut bei der sicherheitstechnischen Bewertung von Fahrzeugen in den Prüfstellen ist zudem die Unabhängigkeit der Sachverständigen, die für die Ergebnisse und Folgen ihrer Begutachtungen persönlich verantwortlich sind. „Die Begutachtung einzelner, bereits im Verkehr befindlicher Fahrzeuge erfordert ein hohes Maß an fachlicher Kompetenz und Erfahrung“, sagte Bühler. Aus gutem Grund habe der Gesetzgeber daher entschieden, dass nur amtlich anerkannte Sachverständige mit entsprechender Qualifikation von TÜV und DEKRA diese Aufgaben adäquat erfüllen können. Erfolgt die Begutachtung für die Erteilung einer Betriebserlaubnis künftig durch weniger qualifizierte Mitarbeiter, kann das Auswirkungen auf die Prüfqualität und somit zwangsläufig auf die Straßenverkehrssicherheit in Deutschland haben.

Darüber hinaus übernehmen die Technischen Prüfstellen eine wichtige Funktion bei der Realisierung hochautomatisierter Mobilitätskonzepte. Im Auftrag der Landesbehörden erstellten sie zum Beispiel ein Gutachten für einen weitgehend autonom fahrenden Linienbus. Die TÜV-Experten prüften den Bus nicht nur hinsichtlich der funktionalen und der Betriebssicherheit, sondern auch wie er sich im Straßenverkehr tatsächlich verhält. „Die erfolgreiche Begutachtung war ein wichtiges Signal für diese neue Technologie als Bestandteil der automatisierten und integrierten Mobilität von morgen“, sagte Bühler. „Auf diese Kompetenz der Technischen Prüfstellen darf Deutschland nicht verzichten.“

Auch aus rechtlicher Sicht steht einer Beibehaltung der nationalen Praxis nach Ansicht des TÜV-Verbands nichts im Wege. „Die Gewährleistung einer hohen Verkehrssicherheit von Fahrzeugen ist ein überragendes öffentliches Interesse. Die Technischen Prüfstellen leisten ihren Beitrag, um diese staatliche Aufgabe zu erfüllen“, betonte Bühler. Außerdem verstoße die deutsche Regelung aus Sicht des VdTÜV nicht gegen die EU-Bestimmungen der Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit, da die Tätigkeit der Technischen Prüfstellen als Ausübung öffentlicher Gewalt anzusehen ist. Alle Zuständigkeiten, die nicht ausdrücklich auf die EU übertragen wurden, verbleiben nach dem Subsidiaritätsprinzip bei den Mitgliedsstaaten. Hierzu gehören im föderal geprägten Deutschland auch die hoheitlichen Aufgaben der Erteilung von Betriebserlaubnissen für Einzelfahrzeuge.