Den digitalen Binnenmarkt sicherer machen

Anlässlich der Europawahl im Mai 2019 stellt der TÜV-Verband seine „Agenda für Sicherheit und Vertrauen im digitalen Binnenmarkt“ vor. Die Kernbotschaft: Digitalisierung erfordert Reformen zahlreicher EU-Gesetze.

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Der TÜV-Verband hat anlässlich der Europawahl im Mai 2019 seine „Agenda für Sicherheit und Vertrauen im digitalen Binnenmarkt“ vorgestellt. „Das neue EU-Parlament muss aktiv daran mitwirken, einen europäischen Weg der Digitalisierung zu definieren“, sagte Dr. Joachim Bühler, Geschäftsführer des TÜV-Verbands. „Im digitalen EU-Binnenmarkt müssen Sicherheit und Vertrauen oberste Priorität haben.“ Die Digitalisierung führe dazu, dass die EU ihre Gesetzgebung in vielen Bereichen modernisieren muss. Bühler: „Nach der Datenschutz-Grundverordnung, dem Cybersecurity Act oder der umstrittenen Urheberrechtsreform müssen die EU-Parlamentarier unter anderem Regelungen für die Produktsicherheit im Internet of Things (IoT), die vernetzte Mobilität oder die ethische Anwendung von Künstlicher Intelligenz in Angriff nehmen.“ Der TÜV-Verband hat seine Forderungen für die kommende Legislaturperiode in den zentralen Politikfeldern formuliert:

Vernetzte Mobilität

Die technische Überwachung muss mit der Digitalisierung Schritt halten. Dafür brauchen die Prüforganisationen einen diskriminierungsfreien Zugang zu sicherheitsrelevanten Fahrzeugdaten und der entsprechenden Software. Prüfvorschriften für die Hauptuntersuchung müssen bereits in der Typgenehmigung angelegt sein. Der Zugang zu den Daten sollte über herstellerunabhängige, cloudbasierte Datentreuhänder erfolgen. Für den hoch automatisierten Verkehr der Zukunft müssen unter anderem Regelungen wie die Richtlinie zur technischen Überwachung angepasst werden, um Fahrzeuge sicher auf die Straße zu bringen und einen sicheren Betrieb gewährleisten zu können. Nicht zuletzt muss sich die zunehmende Automatisierung in der Fahrausbildung niederschlagen. Angehende Autofahrer müssen den Umgang mit modernen Assistenzsystemen trainieren.

Cybersecurity

Angesichts der anhaltenden Bedrohung durch wirtschaftlich oder politisch motivierte Cyberangriffe sind weitere Anstrengungen notwendig. Ein wichtiges Ziel ist es, dass nur noch digital sichere Produkte in der EU auf den Markt kommen. Dafür muss der europäische Produktsicherheitsbegriff neu definiert werden. In Zukunft muss neben der funktionalen Sicherheit auch die digitale Sicherheit fester Bestandteil eines Produkts sein. Das ist notwendig, weil im Internet of Things zunehmend Maschinen, Geräte, Werkzeuge, Spielzeug oder Fahrzeuge vernetzt und digital gesteuert werden. Der Cybersecurity Act (CCA) weist zwar in die richtige Richtung. Jetzt müssen die einzelnen Produktregulierungen angepasst werden und konsequent auf den CCA verweisen.

Künstliche Intelligenz

Der EU-Rechtsrahmen berücksichtigt Künstliche Intelligenz (KI) und ihre Auswirkungen bisher nur unzureichend. Es fehlen Standards, Methoden und Prüfszenarien, um die Sicherheit KI-basierter Anwendungen bewerten zu können. Digitale Sicherheit, Datenschutz oder auch Diskriminierungsfreiheit von KI-Systemen müssen schrittweise in die EU-Gesetzgebung Eingang finden. Das betrifft unter anderem den „New Legislative Framework“, in dem die grundlegenden Sicherheitsanforderungen an bestimmte Produkte festgelegt werden. KI-Systeme sollten in Abhängigkeit von ihrem Risikoniveau geprüft werden und bei Bedarf von unabhängigen Stellen überwacht werden. Neutrale Prüforganisationen brauchen dafür Zugang zu KI-relevanten Daten.

Umwelt- und Klimaschutz

Die periodische Abgasuntersuchung muss mit der Entwicklung moderner Motoren- und Abgasreinigungstechnologie Schritt halten. Dafür müssen in der entsprechenden EU-Richtlinie wissenschaftlich fundierte Grenzwerte und effiziente Messverfahren definiert werden. Darüber hinaus ist im Rahmen der Abgasuntersuchung die Messung weiterer Luftschadstoffe notwendig. Das betrifft insbesondere die Ermittlung des Stickoxidausstoßes von Diesel-Fahrzeugen. Dringender Handlungsbedarf besteht in der EU bei der Bekämpfung von Manipulationen an der Abgasnachbehandlung, zum Beispiel der Unterbindung der Adblue-Einspritzung.

Die Forderungen und Handlungsempfehlungen des TÜV-Verbands für zehn Politikfelder von der Handelspolitik über die Produktregulierung bis zur Weiterbildung für die kommende Legislaturperiode des Europäischen Parlaments sind hier abrufbar.

Über die Herausforderungen in der EU diskutieren wir bei einem TÜVMeetUp mit den Spitzenkandidatinnen der SPD, Dr. Katarina Barley, und der FDP, Nicola Beer, sowie Hildegard Bentele (CDU) und Dr. Hannah Neumann (Grüne). Moderator ist Dr. Joachim Bühler, Geschäftsführer des TÜV-Verbands. Die Veranstaltung findet statt am Montag, 8. April 2019, im Telefónica Basecamp in Berlin-Mitte.