Eine breite Mehrheit der Bundesbürger befürwortet verpflichtende Alkohol-Wegfahrsperren in Fahrzeugen. Fast neun von zehn Deutschen (88 Prozent) sind der Meinung, dass Alkohol-Wegfahrsperren in Fahrzeugen für die gewerbliche Personenbeförderung wie Bussen oder Taxis obligatorisch sein sollten.
86 Prozent befürworten Wegfahrsperren in gewerblich genutzten Nutzfahrzeugen wie Transportern oder Lastkraftwagen. Das hat eine repräsentative Forsa-Umfrage im Auftrag des TÜV-Verbands unter 1.002 Personen ab 18 Jahren ergeben. In Fahrzeugen installierte Alkohol-Wegfahrsperren (Alkohol-Interlocks) verhindern mit Hilfe eines Atemtests, dass alkoholisierte Personen ein Fahrzeug starten können. „Wegfahrsperren sind ein wirksames Instrument, um Autofahrten unter Alkoholeinfluss zu verhindern“, sagte Marc-Philipp Waschke, Verkehrssicherheitsexperte beim TÜV-Verband (VdTÜV). „Einige Transportunternehmen haben heute schon freiwillig Alkohol-Wegfahrsperren in ihren Fahrzeugen im Einsatz.“ Laut der Umfrage sind 62 Prozent der Befragten auch dafür, Wegfahrsperren in allen privat genutzten Fahrzeugen einzubauen. Frauen befürworten das mit 69 Prozent deutlich häufiger als Männer mit 55 Prozent.
Aus Sicht des TÜV-Verbands könnten Wegfahrsperren vor allem im Rahmen der Rehabilitation von Alkoholfahrern eingesetzt werden, die wegen besonders hoher Promille-Werte eine Medizinisch-Psychologische Untersuchung (MPU) absolvieren. Eine MPU wird nach mehrfachen Trunkenheitsfahrten oder ab einem Blutalkoholwert von 1,6 Promille angeordnet. Bereits ab 1,1 Promille gelten Auto- und Motorradfahrer aber als absolut fahruntüchtig. „Das Unfallrisiko liegt dann um ein Zehnfaches höher als bei nüchternen Fahrern“, sagte Waschke. Der TÜV-Verband schlägt daher vor, die Teilnahme an einer MPU ab 1,1 Promille verpflichtend anzuordnen. Waschke: „Die Absenkung der Promillegrenze für die Anordnung einer MPU ist längst überfällig.“
Voraussetzung für das Bestehen der MPU ist, dass sich Alkoholfahrer kritisch mit ihren Trinkgewohnheiten auseinandersetzen und künftig in der Lage sind, Autofahren und Alkoholkonsum zu trennen. Das wird mit einem Leistungstest, einem Medizin-Check und einem psychologischen Gespräch begutachtet. Laut dem TÜV-Vorschlag könnten Alkoholfahrer mit 1,1 bis 1,59 Promille an einem Alkohol-Interlock-Programm teilnehmen. Damit hätten sie die Möglichkeit, die Sperrfrist bis zur Wiedererlangung ihrer Fahrerlaubnis zu verkürzen. „Bei schweren Fällen von Alkohol am Steuer reicht eine rein technische Lösung nicht aus“, sagte Waschke. „Die Betroffenen sollten sich verkehrspsychologisch beraten lassen, um ein Problem- und Risikobewusstsein zu entwickeln. Am Ende des Programms steht die MPU.“ Laut der TÜV-Umfrage befürworten 80 Prozent der Bundesbürger den Einsatz von Wegfahrsperren im Rahmen der Rehabilitation von Alkoholsündern. Die Bundesregierung hat den rechtssicheren Einsatz der Systeme im Koalitionsvertrag zwar angekündigt, aber bislang noch nicht umgesetzt.
Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes standen im Jahr 2018 bei 13.447 Unfällen mit Personenschaden die Fahrer unter Alkoholeinfluss. Das entspricht einem Anstieg von 4,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Nach den letzten verfügbaren Zahlen sind im Jahr 2017 bei Alkoholunfällen 231 Menschen ums Leben gekommen, weitere 4.531 wurden schwer verletzt. „Alkoholunfälle verlaufen überdurchschnittlich schwer und führen zu mehr Toten und Schwerverletzten“, sagte Waschke. „Es ist an der Zeit, neue Ansätze im Umgang mit Alkohol am Steuer in der Praxis zu erproben und umzusetzen.“
Beim „TÜV Forum Verkehrssicherheit“ diskutieren heute Experten über neue Strategien gegen Alkohol im Straßenverkehr. Mit dabei sind Dr. Don DeVol, Leiter des Instituts für Verkehrssicherheit TÜV Thüringen sowie Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Verkehrspsychologie, Holger Eichele, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Brauer-Bundes, Gerhard Hillebrand, ADAC Vizepräsident für Verkehr, und Kirsten Lühmann (MdB), Verkehrspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion. Die Keynotes halten Steffen Bilger, Parlamentarischer Staatssekretär im BMVI, und Prof. Reinhard Urban, Vorstandsmitglied des Deutschen Verkehrsgerichtstages.