10. November 2021 – Die Corona-Pandemie hinterlässt ihre Spuren in der Mängelstatistik des „TÜV-Reports 2022“: Im aktuellen Untersuchungszeitraum sind 17,9 Prozent aller Fahrzeuge bei der Hauptuntersuchung (HU) mit „erheblichen“ oder „gefährlichen Mängeln“ durchgefallen. Im Vergleich zum Vorjahr ist dieser Wert um 2 Prozentpunkte gesunken. Die bei der HU festgestellten Mängel müssen behoben und die Fahrzeuge erneut geprüft werden, um eine Plakette zu erhalten. Der Anteil der Pkw mit geringen Mängeln ist um 0,5 Punkte auf 9,1 Prozent gesunken. „Im aktuellen TÜV-Report sind so wenige Fahrzeuge durch die Hauptuntersuchung gefallen wie seit Jahren nicht mehr“, sagte Dr. Joachim Bühler, Geschäftsführer des TÜV-Verbands, bei der Vorstellung des TÜV-Reports. Das spreche einerseits für eine höhere Langlebigkeit der Fahrzeuge. Andererseits zeigen sich mehrere Corona-Effekte. Bühler: „Viele Fahrzeughalter hatten während der Lockdowns mehr Zeit, sich um die Wartung ihrer Autos zu kümmern.“ Hinzu komme ein statistischer Effekt, weil mehr junge Fahrzeuge mit relativ wenig Mängeln in die Daten eingeflossen sind. „Die bei der Produktion von Neuwagen auftretenden Lieferengpässe bei Computerchips haben Auswirkungen auf den Gebrauchtwagenmarkt. Viele Besitzer von Leasing-Fahrzeugen haben ihre nach drei Jahren auslaufenden Verträge während der Pandemie verlängert, anstatt ein neues Modell zu ordern“, sagte Bühler. Zudem hätten viele Leasingnehmer während der Pandemie Aufwand und Kosten einer Neuanschaffung gescheut. Anstatt ins Ausland verkauft zu werden, sind viele der jungen Gebrauchtwagen in Deutschland geblieben und senken den Mängelschnitt.
Trotz der insgesamt positiven Entwicklung sind immer noch sehr viele Fahrzeuge auf den Straßen unterwegs, die eine Gefahr für die Verkehrssicherheit darstellen. Laut den Ergebnissen des TÜV-Reports 2022 wurden 0,04 Prozent der Pkw von den Sachverständigen als „verkehrsunsicher“ eingestuft und mussten sofort stillgelegt werden. Bezogen auf alle Hauptuntersuchungen in Deutschland sind das rund 10.000 Fahrzeuge innerhalb eines Jahres. Und rund 100.000 Fahrzeuge mussten mit „gefährlichen Mängeln“ wie zerschlissenen Bremsscheiben, stark beschädigten Reifen oder einem Komplettausfall der Bremslichter sofort in die Werkstatt (0,4 Prozent). „Die im Jahr 2018 eingeführte Kategorie des gefährlichen Mangels verhindert, dass stark mangelhafte Fahrzeuge noch wochenlang herumfahren und Verkehrsteilnehmer gefährden“, sagte Bühler.
Je älter die Autos werden, desto höher sind die Mängelquoten. 12,4 Prozent der 6 bis 7 Jahre alten Fahrzeuge, 17,5 Prozent der 8- bis 9-Jährigen und 22,8 Prozent der 10- bis 11-Jährigen fallen bei der Hauptuntersuchung durch. Das Durchschnittsalter der Pkw in Deutschland steigt seit Jahren und liegt laut KBA derzeit bei 9,8 Jahren. Zum Vergleich: 2011 lag das Alter im Schnitt noch bei 8,3 Jahren. Aktuell sind 42 Prozent aller in Deutschland zugelassenen Pkw zehn Jahre oder älter. Bühler: „Trotz der insgesamt verbesserten Langlebigkeit ist das hohe Alter vieler Autos eine Herausforderung für Verschleißteile oder die Elektronik. Umso wichtiger sind eine gute Wartung und regelmäßigen Prüfungen.“
Besonders häufig beanstanden die Sachverständigen Defekte an der Beleuchtung. „Lichtmängel sind ein Klassiker bei den Hauptuntersuchungen, die von den Autofahrer:innen gerne vernachlässigt werden“, sagte Bühler. „Kaputte Bremslichter oder blendende Scheinwerfer sind gerade in der dunklen Jahreszeit ein ernstes Risiko für alle Verkehrsteilnehmer.“ Ein weiteres Manko ist Ölverlust. „Austretendes Öl am Antrieb oder am Motor belastet die Umwelt und wirkt brandbeschleunigend“, warnte Bühler. Und: Die Behebung dieser Mängel ist teuer. Die Typseiten im TÜV-Report zeigen, dass zahlreiche Gebrauchtwagen damit ein Problem haben. Immer wieder ein Gefahrenherd sind auch mangelhafte Bremsen. Gerade bei älteren Fahrzeugen und schweren SUVs sollten Halter:innen auf abgefahrene Bremsscheiben oder undichte Bremsleitungen achten.
Gesamtsieger des TÜV-Reports 2022 ist wie in den beiden Vorjahren der Mercedes GLC. Die Quote der erheblichen Mängel des hochwertigen SUVs liegt bei den 2 bis 3 Jahre alten Fahrzeugen bei nur 1,5 Prozent. Das ist der niedrigste Wert aller untersuchten Fahrzeuge. Auf das Podium schaffen es daneben die Mercedes B-Klasse auf Platz Zwei und der Volkswagen T-Roc auf dem dritten Platz. In den weiteren Altersklassen gewinnt der Audi Q2 bei den 4- bis 5-Jährigen und der Porsche 911 bei den 6 bis 7 Jahre alten Fahrzeugen. Bei den älteren Fahrzeugen steht der Audi TT an der Spitze. In der Auswertung nach Fahrzeugklassen schafft es mit dem Opel Karl in der Mini-Klasse in diesem Jahr nur ein Volumen-Hersteller in die Riege der Premiumfahrzeuge. Der Audi A1 gewinnt bei den Kleinwagen, in der Kompaktklasse die Mercedes A-Klasse, in der Mittelklasse die C-Klasse und die Mercedes B-Klasse bei den Vans. Bühler: „Glückwunsch an Mercedes für diesen überzeugenden Auftritt beim TÜV-Report 2022.“
Neue Bundesregierung muss Modernisierung der Hauptuntersuchung angehen
Der TÜV-Verband fordert von der neuen Bundesregierung eine längst überfällige Modernisierung der Hauptuntersuchung, um der Digitalisierung der Fahrzeugtechnik, neuen Antriebskonzepten sowie dem Umwelt- und Klimaschutz gerecht zu werden. „Digital gesteuerte Assistenzsysteme können durch Beschädigungen wie Parkrempler, falsche Installation oder fehlerhafte Updates ‚verschleißen‘ und müssen während ihrer gesamten Lebensdauer sicher sein“, sagte Bühler. Sowohl die Funktion als auch die tatsächliche Wirkung von Spurhalte-, Stau- oder Notbremsassistenten sollten bei der Hauptuntersuchung geprüft werden. Zudem benötigen die Sachverständigen Zugang zu sicherheitsrelevanten Daten und zum aktuellen Software-Stand der Fahrzeuge. „Moderne Autos erhalten heute regelmäßig Updates, die Einfluss auf sicherheitskritische Faktoren wie das Fahrverhalten haben können“, sagte Bühler. „Bei den Software-Checks muss außerdem geprüft werden, ob die Fahrzeuge die Anforderungen an die Cybersecurity einhalten.“
Ein diskriminierungsfreier Zugang zu den Fahrzeugdaten spielt auch bei der Bewertung der Umweltbilanz eine entscheidende Rolle. „Mit Hilfe der Fahrzeugdaten können die Sachverständigen Schäden und Manipulationen an der Abgasanlage besser erkennen“, sagte Bühler. Darüber hinaus setzt sich der TÜV-Verband dafür ein, dass die Partikelanzahl auch bei Benzin-Fahrzeugen bei der HU gemessen und ein Verfahren für die Messung von Stickoxiden (NOx) bei Diesel-Fahrzeugen festgelegt wird. Darüber hinaus müssten jetzt Regelungen für die Prüfung von Wasserstofffahrzeugen geschaffen werden.
Der TÜV-Report ist Deutschlands wichtigster Gebrauchtwagenratgeber. Seit 1972 ist er eine unabhängige Quelle für Verbraucher:innen, Autohersteller und die Politik, wenn es um den technischen Zustand der Fahrzeuge in Deutschland geht. Zudem gibt der Report Autobesitzer:innen praktische Tipps und trägt damit maßgeblich zur Verkehrssicherheit bei. Aufgeführt sind die Stärken und Schwächen einzelner Fahrzeugmodelle in unterschiedlichen Altersklassen. Bühler: „Der TÜV-Report informiert seine Leserinnen und Leser auch in der Jubiläumsausgabe unabhängig von Interessen der Hersteller, Werkstätten oder Händler.“
Alle TÜV-Reporte der vergangenen Jahre finden Sie auch hier.
Methodik-Hinweis: Für den TÜV-Report 2022 sind rund 9,6 Millionen Hauptuntersuchungen von Pkw ausgewertet worden, die von Juli 2020 bis Juni 2021 durchgeführt wurden. Basis der Rankings in 5 Altersklassen sind 18 ausgewählte, besonders relevante Mängel. Untersucht wurden in diesem Jahr 222 verschiedene Fahrzeugmodelle.