21. Januar 2019 — Eine deutliche Mehrheit der Deutschen befürwortet ein strengeres Vorgehen bei schweren Fällen von Alkohol am Steuer: So fordern fast drei von vier Bundesbürgern (73 Prozent) eine Absenkung der Promille-Grenze für die Anordnung einer Medizinisch-Psychologischen Untersuchung (MPU) von 1,6 Promille auf 1,1 Promille. Das hat eine repräsentative Umfrage im Auftrag des TÜV-Verbands unter 1.002 Personen ab 18 Jahren ergeben. Laut Umfrage befürworten mit einem Anteil von 78 Prozent deutlich mehr Frauen eine niedrigere Promille-Grenze als Männer mit 69 Prozent. „Autofahrer mit mehr als 1,1 Promille Alkohol im Blut sind absolut fahruntüchtig und bringen sich und andere massiv in Gefahr“, sagte Richard Goebelt, Bereichsleiter Fahrzeug und Mobilität beim TÜV-Verband, im Vorfeld des Deutschen Verkehrsgerichtstages. Der TÜV-Verband setzt sich bereits seit langem dafür ein, die Promille-Grenze für die Anordnung einer MPU zu senken. Goebelt: „Die MPU ist ein wirksames Instrument, um bei Alkoholfahrern eine nachhaltige Verhaltensänderung auszulösen.“ Aus Sicht des TÜV-Verbands könnten in der Zeit der Rehabilitation vor einer MPU bei geeigneten Fahrern technische Systeme wie Alkohol-Wegfahrsperren (Alkohol-Interlock) zum Einsatz kommen, um lange Zeiten ohne Führerschein zu vermeiden.
Wer aktuell mit 1,1 bis 1,59 Promille Alkohol im Blut mit Auto oder Motorrad unterwegs ist, begeht schon heute eine Straftat, die mit einer Geldstrafe und dem Entzug der Fahrerlaubnis für mindestens sechs Monate geahndet wird. Eine MPU wird aber verpflichtend erst ab 1,6 Promille angeordnet. Bei der Untersuchung wird mit Hilfe eines Leistungstests, eines medizinischen Checks und einem psychologischen Gespräch die Fahreignung begutachtet. Besteht der Fahrer die MPU, bekommt er seine Fahrerlaubnis zurück. Voraussetzung für das Bestehen der MPU ist, dass sich Alkoholfahrer kritisch mit ihren Trinkgewohnheiten auseinandergesetzt haben und fortan in der Lage sind, Alkoholkonsum und Autofahren zu trennen. „Bei einer Senkung der Promillegrenze könnten die positiven Effekte der MPU bei weitaus mehr schweren Fällen von Alkohol am Steuer wirksam werden“, sagte Goebelt. Untersuchungen zeigten, dass bei Fahrern, die mit mehr als 1,1 Promille Alkohol im Blut aufgegriffen werden, eine besonders hohe Rückfallgefahr besteht.
Der TÜV-Verband schlägt bei einer Absenkung der Promillegrenze gleichzeitig die Einführung von Alkohol-Interlock-Programmen vor. Alkohol-Wegfahrsperren sind technische Systeme, die mithilfe eines Atemtests verhindern, dass alkoholisierte Personen ein Fahrzeug starten können. „Alkoholsünder im Promillebereich von 1,1 bis 1,59 könnten bei Teilnahme an einem Alkohol-Interlock-Programm die Möglichkeit erhalten, ihre Sperrfrist bis zur Wiedererlangung ihrer Fahrerlaubnis zu verkürzen. Am Ende des Programms muss aber nach wie vor die MPU stehen“, sagte Goebelt. Allerdings reichten technische Systeme wie Alkohol-Wegfahrsperren allein nicht aus, sondern sollten mit einer verkehrspsychologischen Beratung einhergehen. Die Teilnehmer setzen sich dabei unter anderem kritisch mit ihren Trinkgewohnheiten auseinander, entwickeln ein Problem- und Risikobewusstsein und bekommen Hinweise, wie sie ihr Verhalten ändern können. Ein solches Vorgehen findet in der Bevölkerung große Zustimmung. Laut der Umfrage des TÜV-Verbands befürworten vier von fünf Bundesbürgern (80 Prozent) den verpflichtenden Einbau von Alkohol-Wegfahrsperren in Fahrzeugen von Alkoholsündern, die an einer Rehabilitationsmaßnahme zur Wiedererlangung ihrer Fahrerlaubnis teilnehmen. Der TÜV-Verband hat seine Forderungen in einem aktuellen Positionspapier zusammengefasst.
Beim 57. Verkehrsgerichtstag in Goslar diskutieren Experten Fragen rund um die Verkehrssicherheit und erarbeiten konkrete Empfehlungen für die Politik. Ein zentrales Thema ist auch diesem Jahr die Alkoholprävention im Straßenverkehr. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes wurden im Jahr 2017 bei Alkoholunfällen 231 Verkehrsteilnehmer getötet und 4.531 schwer verletzt. Im gleichen Jahr sind 34.774 Verkehrsteilnehmer wegen Alkoholmissbrauch zur Teilnahmen an einer MPU verpflichtet worden. Die Kombination von Drogen oder Medikamenten mit Alkohol war in 1.858 Fällen die Ursache für eine MPU.
Methodik-Hinweis: Grundlage der Angaben ist eine repräsentative Telefon-Umfrage des Marktforschungsinstituts Forsa im Auftrag des TÜV-Verbands unter 1.002 Personen ab 18 Jahren.