Minusgrade, Glätte, Schnee und schlechte Sicht: Im Winter ist es noch etwas gefährlicher als in der warmen Jahreszeit, mit dem Fahrrad oder E-Bike zu fahren. Laut Statistischem Bundesamt ist im Jahr 2019 jeder siebte im Straßenverkehr Getötete mit dem Fahrrad unterwegs gewesen. 445 Radfahrer:innen sind bei einem Unfall gestorben, davon sind 118 mit einem Elektrofahrrad unterwegs gewesen. Weitere 15.176 haben sich 2019 bei Fahrradunfällen schwer verletzt, 71.721 sind mit leichten Verletzungen davongekommen. „Radfahrer leisten einen wichtigen Beitrag zur Sicherheit, wenn sie mit Sorgfalt auf die Verkehrstüchtigkeit ihrer Fahrzeuge achten“, sagt Frank Schneider, Experte für Fahrzeugtechnik beim TÜV-Verband (VdTÜV). „Mit gewissenhafter Vorbereitung ist das ‚Durchfahren‘ in den Wintermonaten gut möglich.“ Die Pflege und die meisten Funktionskontrollen können Besitzer:innen von Fahrrädern und E-Bikes eigenhändig vornehmen. Für eine Überprüfung von Motor und Akku sowie Elektronik und Software ist bei E-Bikes ein Besuch in einer Fachwerkstatt ratsam. Der TÜV-Verband gibt Tipps für einen grundlegenden Technikcheck und sicheres Verhalten auf zwei Rädern.
Dem Fahrrad etwas Pflege gönnen
Vor dem Funktionscheck sollte das Fahrrad sorgfältig gereinigt werden. „Dreck und Schmutz können Feuchtigkeit aufnehmen und zu Rost führen“, sagt Schneider. „Putzen, ölen und – wenn möglich – trocken unterstellen gehören zur Basispflege eines Fahrrads.“ Bei einer gründlichen Reinigung mit warmem Wasser und mildem Reinigungsmittel oder Spezialreiniger werden der Fahrradrahmen, die Bremsen und die Antriebskomponenten gesäubert und auf Rost kontrolliert. Auch Schmutz an schwer erreichbaren Stellen und an der Kette sollte komplett entfernt werden. Sofern vorhanden, sollten auch die Stoßdämpfer von möglichen Flugrost befreit und auf möglichen Ölverlust kontrolliert werden. Anschließend die Kette tröpfchenweise ölen und alle Gänge einmal durchschalten, so wird das Öl bestmöglich verteilt. „Eine schmutzfreie und gut geschmierte Kette läuft besser“, erklärt Schneider. „Bei Pedelecs muss der E-Motor dann weniger Kraft aufbringen, um das Rad anzutreiben und der Akku ermöglicht eine höhere Reichweite.“
Naben- und andere Getriebeschaltungen sowie Riemenantriebe sind pflegeleichter als die weit verbreiteten Kettenschaltungen. Durch ein geschlossenes Gehäuse ist die Getriebeschaltung gut geschützt und durch das Ölbad ist praktisch kein weiterer Pflegeaufwand im laufenden Betrieb nötig. Allerdings ist je nach Nutzung etwa alle zwei Jahre ein Ölwechsel fällig, der von einer Fachwerkstatt durchgeführt werden sollte. Bei einem Riemenantrieb reicht es aus, regelmäßig den groben Schmutz zu entfernen, so läuft dieser auch im Winter problemlos. Bei der Reinigung des Akkus sollte nur wenig Wasser genutzt werden. Um einen Kurzschluss zu vermeiden, darf kein Wasser an die Kontakte gelangen. Stark verschmutzte Felgenränder können dazu führen, dass Bremsbeläge nicht ausreichend Grip haben. Also sollten auch die Reifen inklusive Felgen gewaschen werden.
Bremsbeläge rechtzeitig austauschen
Egal ob Felgen- oder Scheibenbremse: die Bremsbeläge müssen regelmäßig überprüft und gewechselt werden, insbesondere bei Fahrrädern mit elektrischem Antrieb. „Die Bremsbeläge von E-Bikes werden durch das höhere Gewicht und die schnelleren Geschwindigkeiten stärker beansprucht“, erklärt Schneider. „Bremsbeläge sollten mindestens einmal im Jahr kontrolliert werden. Bei Felgenbremsen sehen Radfahrer den Verschleiß mit eigenen Augen: Wenn der Belag so weit abgenutzt ist, dass die Rinne eben ist oder die Bremswirkung spürbar nachlässt, ist es Zeit für einen Wechsel. Scheibenbremsen, mehr noch bei hydraulischen Systemen, sind bei der Wartung etwas anspruchsvoller. Hier wird nach etwa 1.000 Kilometer Fahrt eine Überprüfung in einer Fachwerkstatt notwendig.“ Kontrolliert werden sollte auch, ob die Bremse richtig eingestellt ist, die Bremsbeläge dürfen während der Fahrt nicht schleifen.
Fest im Sattel sitzen
Eine optimale Sitzposition ist wichtig für sicheres Radfahren. Im Winter bietet es sich an, den Sattel etwas tiefer einzustellen. Mit einem tieferen Schwerpunkt ist das Rad trotz nasser und eventuell glatter Straßen einfacher zu beherrschen und man steht schneller mit beiden Beinen auf dem Boden. Wenn die Griffe nicht angenehm zu greifen sind, sollten auch Höhe und Ausrichtung des Lenkers nachjustiert werden. Durch nasse Schuhsohlen verlieren Fahrradfahrer:innen auf Plastikpedalen schnell den Halt. Um nicht abzurutschen, können die Pedalen mit einem feinen Schmirgelpapier leicht aufgeraut werden.
Für E-Bike-Fahrende empfiehlt sich bei widrigen Wetterverhältnissen die Fahrt mit einer kleineren Unterstützungsstufe. Bei Nässe und Glätte kann es beim Anfahren und beim Beschleunigen mit starker Unterstützungsstufe zu Unfällen kommen, wenn das Antriebsrad durchdreht und wegrutscht. Rücksichtnahme und Vorausschauendes Fahren ist selbstverständlich Pflicht. Bei sehr ungünstigen Wetterbedingungen wie Glatteis oder starkem Schneefall sollten Verkehrsteilnehmer:innen besser auf die Fahrradfahrt verzichten.
Leistungsstarkes Licht garantiert Sicht und Sichtbarkeit
Wer bei Dunkelheit ohne Licht fährt, gefährdet sich und andere Verkehrsteilnehmende. „Glücklicherweise hat der Seitendynamo größtenteils ausgedient“, weiß Schneider. „Vor allem bei Regen ist auf diese Beleuchtungsanlage kein Verlass. Nabendynamos oder LED-Scheinwerfer funktionieren zuverlässig und sind leistungsstark. Fahrradfahrer mit Seitendynamo sollten daher schnellstens umrüsten, denn zu den standardmäßigen Funktionen der neueren Lichtanlagen zählt auch ein Standlicht.“ Vor jeder Fahrt sollten Radfahrer:innen überprüfen, ob ihr Licht noch funktioniert. Beim Vorderlicht fallen Störungen automatisch auf, aber eine Kontrolle des Rücklichts wird häufiger vergessen. Während der Nabendynamo am herkömmlichen Fahrrad mit der eigenen Tretkraft Spannung erzeugt, speist sich die Beleuchtung am E-Bike durch Strom aus dem Akku.
Reifendruck optimieren
Anders als beim Auto ist ein Reifenwechsel im Winter bei Fahrrädern und E-Bikes nicht nötig. Standardreifen können das ganze Jahr über genutzt werden. Wichtig sind ein gutes Profil, ein intakter Schlauch und der richtige Reifendruck. „Viele Fahrradfahrer sind ganzjährig mit zu wenig Luft in den Reifen unterwegs“, sagt Schneider. „Im Winter kann ihnen diese Nachlässigkeit jedoch zugutekommen. Bei platteren Reifen vergrößert sich die Auflagefläche des Reifens auf dem Boden und die Gefahr auszurutschen wird verringert.“ Auf der Reifenflanke können Radfahrende den minimalen Reifendruck ablesen, dieser sollte auch im Winter nicht unterschritten werden. Sobald die Temperaturen im Frühjahr steigen, sollten die Reifen wieder stärker aufgepumpt werden.
Akku vor Kälte schützen
Pedelec-Fahrer:innen müssen zusätzlich zur Fahrzeugtechnik auch den Akku warten, damit dieser die kalte Jahreszeit unbeschadet überstehen. „Nässe ist für die Akkus von E-Bikes grundsätzlich kein Problem“, sagt Schneider. „Kälte jedoch setzt dem Lithium-Ionen-Akku zu. Wenn der Akku unterkühlt ist, sollte er zuerst langsam auf etwa 20 Grad Celsius erwärmt werden oder erstmal mit dem geringsten Assist-Level genutzt werden.“ Insbesondere auf lange Sicht schaden niedrige Temperaturen dem Akku. Bei Frost sollte der Akku nicht draußen am Rad gelassen werden, sondern besser in der Wohnung oder einem wärmeren Keller aufbewahrt werden, ansonsten verliert der Akku an Leistungsfähigkeit und maximal nutzbarer Kapazität. „Kalte Akkus sollten langsam auf Zimmertemperatur gebracht werden, bevor sie aufgeladen werden“, sagt Schneider. „Einige Systeme verhindern den Ladevorgang sogar automatisch, wenn der Akku zu kalt ist.“ Auch, wenn das Pedelec im Winter nicht genutzt wird, sollte man den Akku vor niedrigen Temperaturen schützen und darauf achten, dass der Akku sich nicht vollständig entlädt. Bevor die Ladung unter 30 Prozent fällt, sollte der Akku immer mal wieder nachgeladen werden und auf die Herstellerempfehlung geachtet werden.