Rund 120.000 Autos, die im Jahr 1990 zugelassen wurden, fahren noch auf unseren Straßen. Sie alle feiern im kommenden Jahr einen besonderen Geburtstag, denn nach 30 Jahren erreichen die Veteranen offiziell den Status eines Oldtimers und dürfen ein H-Kennzeichen tragen. Doch um welche Fahrzeuge handelt es sich – und wie haben sie sich beim TÜV bewährt? Der TÜV-Verband hat dafür TÜV-Reporte vergangener Jahre ausgewertet und stellt einige besondere Schätze des automobilen Kulturgutes vor.
„Das Jahr 1990 hat einige Fahrzeuge hervorgebracht, die auch für Oldtimer-Fans immer noch interessant sein können“, sagt Richard Goebelt, Bereichsleiter Mobilität beim TÜV-Verband (VdTÜV). So erschien ab 1990 die letzte Version des Audi 100, BMW brachte mit dem E36 einen neuen 3er auf den Markt, Volvo lancierte die 900er-Serie und aus Japan kam der Nissan Primera P10 nach Europa. Auch für Fans französischer Fahrkultur war es ein besonderes Jahr: Am 27. Juli 1990 verließ der letzte Citroën 2CV das Band, womit nun nach 30 Jahren endgültig alle „Enten“ in Deutschland das Oldtimer-Alter erreicht haben.
Audi 100 (C4)
Im Jahr 1990 erschien mit dem C4 die letzte Generation des Audi 100, der sich seit 1968 einen festen Platz in der oberen Mittelklasse erobert hatte. Seine ersten TÜV-Termine absolvierte er mit Bravour und schnitt weit besser als der Durchschnitt ab. Lediglich die Bremsschläuche fingen mit den Jahren an, porös zu werden. Später kamen Probleme mit den Vorderachsen hinzu. Dennoch: Der TÜV-Report 2002 stellt dem Audi 100 ein gutes Zeugnis aus und lobt besonders die Fußbremse, die Präzision der Lenkung und die hohe Qualität der Hinterachse. Verschleißteile wie die Auspuffanlage erreichen laut TÜV „eine erstaunlich lange Lebenszeit“. Wer einen Audi 100 als Oldtimer fahren möchte, hat mit einem gut gepflegten C4 sicher kaum Probleme.
BMW 3er (E36)
Der E36 war für den 3er BMW mehr als nur ein Facelift. Auch technisch begann mit ihm eine neue Generation: Das Design folgte nun stärker den Gesetzen der Aerodynamik, das Fahrwerk wurde modifiziert. Auch veränderte sich das damals charakteristische BMW-Gesicht, indem die beiden Doppelscheinwerfer jeweils hinter einer gemeinsamen Glasabdeckung platziert wurden. Der TÜV konnte dem jungen 3er durchaus Positives abgewinnen, in fast allen Kategorien schnitt er besser ab als der Durchschnitt, nur die Radaufhängung machte bereits bei den ersten Hauptuntersuchungen wenig Freude. In die Jahre gekommen gab der flotte Bayer beim TÜV eher durchwachsene Vorstellungen ab: „An den beiden Achsen spielen sich regelmäßig Dramen ab“, teilte etwa der TÜV-Report 2002 mit. Dagegen lobte er die gute Rostvorsorge, die robuste Lenkung und die Wirkung der Fußbremse. In seinem Fazit riet der TÜV allen Interessenten eines gebrauchten 3er, bei der Bremsanlage genau hinzusehen und einen Betrag zur Erneuerung der Achsen einzukalkulieren. Da sollten auch heutige 3er-Fans genau hinschauen, wenn sie ihn als Oldtimer erwerben möchten.
Volvo 940/960
Auch in Schweden vollzog sich 1990 ein Generationswechsel in der oberen Mittelklasse, als Volvo die 900er-Serie auf den Markt brachte. Besonders der Kombi zeigt sich als wahres Raumwunder, rund 1700 Liter nimmt sein Kofferraum mühelos auf. Die Karosserie aus robustem Schwedenstahl ist gut gegen Rost geschützt. Der TÜV Report 2002 bezeichnet den 900er Volvo als „echten Dauerläufer,“ was ihn sicher auch heute zu einem soliden Oldtimer qualifiziert. Hinschauen sollte man bei einem alten Schweden aber dennoch: Licht, Feststellbremsen, Auspuffanlagen wiesen regelmäßig Probleme auf, die man bei einem Oldtimer-Kauf im Blick haben sollte.
Nissan Primera P10
Warum nicht mal einen japanischen Oldtimer fahren, zudem einen garantiert unauffälligen? Ab Herbst 2020 erfüllt diese Kriterien der Nissan Primera P10, der speziell für den europäischen Markt entwickelt worden war. Ihre erste Erwähnung findet die 4-türige Limousine im TÜV Report 1996, der sich voll des Lobes äußert. Kaum Mängel, über drei Viertel der Fahrzeuge mängelfrei, lediglich ein paar Probleme am Auspuff. Auch ein einige Jahre später war der Primera P10 beim TÜV ein unauffälliges und solides Auto geblieben. Negativ fielen im Jahr 2002 Achsen und Beleuchtung auf – über alle Mängelgruppen lag der Japaner aber immer noch besser als der Durchschnitt. Zumindest technisch dürfte er daher gut als Oldtimer für den Alltagsgebrauch geeignet sein.
Citroën 2CV
Für den 2CV bricht ein besonderes Jahr an: Im Juli 2020 jährt es sich zum dreißigsten Mal, dass der letzte seiner Art vom Band gelassen wurde. Damit haben nun alle in Deutschland zugelassenen „Enten“ den Status eines Oldtimers erreicht. Sein Design stammt aus den Dreißigerjahren, 1949 ging der 2CV in Serie und wurde in seiner Grundversion insgesamt 3.868.631 Mal verkauft. Eine Erfolgsgeschichte – gäbe es da nicht den TÜV. Französische Nonkonformisten und penible deutsche Prüfer wurden niemals beste Freunde. So reicht etwa in den TÜV-Reporten aus den Jahren 1995 und 1996 der Platz für die Grafik nicht mehr aus, um die „roten Balken“ überdurchschnittlicher Mängel in ihrer ganzen Länge darstellen zu können. Lobende Worte gibt es immerhin für Bremsschläuche und Bremstrommeln. Sei’s drum: Wer heute einen 2CV besitzt, liebt und pflegt ihn. Sehr genau hinschauen sollte man beim Kauf einer Oldtimer-Ente aber auf jeden Fall.
TÜV-Report: Hinweise zum Zustand ganzer Modellgenerationen
Seit 1972 wertet der TÜV-Verband die Hauptuntersuchungen seiner Mitglieder aus und veröffentlicht die Ergebnisse im „TÜV-Report“. Dadurch ist mittlerweile der Zustand vieler Fahrzeuggenerationen dokumentiert. Wer heute mit dem Gedanken spielt, sich einen Oldtimer anzuschaffen, bekommt im jeweiligen TÜV-Report Hinweise, worauf er bei einem bestimmten Fahrzeug besonders achten sollte. „Verschleiß ist etwas Normales, etwa bei Scheinwerfern oder Kunststoffteilen“, sagt Richard Goebelt. Es gibt aber einzelne Mängel, etwa an den Achsen oder der Lenkung, die auch konstruktionsbedingt sind. Goebelt: „Findet man solche Hinweise in einem TÜV Report, sollte ein Oldtimer vor dem Kauf sehr gründlich untersucht werden.“ Die neutrale Beratung ist hier unverzichtbar. Im Zweifelsfall sollte man beim Kauf immer einen TÜV-Fachmann an Bord holen und sich ein Oldtimer-Gutachten erstellen lassen. „Auch bei äußerlich gepflegt aussehenden Fahrzeugen können Käufer auf böse Überraschungen stoßen“, sagt Goebelt.
Wer einen Oldtimer besitzt, kann unter bestimmten Voraussetzungen ein „H-Kennzeichen“ beantragen. Nach § 2 Nr. 22 der Fahrzeug-Zulassungsverordnung, sind „Oldtimer Fahrzeuge, die vor mindestens 30 Jahren erstmals in Verkehr gekommen sind, weitestgehend dem Originalzustand entsprechen, in einem guten Erhaltungszustand sind und zur Pflege des kraftfahrzeugtechnischen Kulturgutes dienen“. Ein H-Kennzeichen kann sich steuerlich lohnen, außerdem gelten bestimmte Ausnahmeregeln, etwa zur Einfahrt in eine Umweltzone. Die Voraussetzungen für ein H-Kennzeichen ist ein Oldtimergutachten, etwa durch einen TÜV. Dabei wird der technische Gesamtzustand bewertet, außerdem muss die Ausstattung dem Originalzustand entsprechen.