Berlin, 09. August 2023 – Wenn Kinder gelernt haben, Fahrrad zu fahren, möchten sie so oft wie möglich selbst fahren. Im hektischen Stadtverkehr, bei langen Fahrradausflügen oder Strecken mit starken Steigungen ist das für sie gefährlich und/oder zu anstrengend. Mit einer Tandemkupplung oder -stange wird das Kinderfahrrad an das Fahrrad der Eltern angehängt. Die Kinder werden so von einem Elternteil gezogen, während sie auf dem eigenen Fahrrad mitstrampeln können. Wollen die Kinder alleine fahren, wird das Rad aus der Halterung genommen. „Tandemsysteme sind eine gute Alternative zum Kindersitz, Anhänger oder Lastenrad“, sagt Frank Schneider, Experte für Fahrzeugtechnik beim TÜV-Verband. „Die Systeme ermöglichen Kindern ein hohes Maß an Selbstständigkeit und eine frühe Teilnahme am Straßenverkehr. Sie lernen alltägliche Verkehrssituationen kennen und erhalten durch das Beobachten der Eltern eine frühe Verkehrserziehung.“ Doch es gibt einige Fallstricke bei der Auswahl, Montage und Fahrt mit einem Tandemsystem. Welche Systeme geeignet sind und worauf Eltern beim Gebrauch achten sollten, erklärt der TÜV-Verband.
Tandemfahren mit Stange oder Kupplung?
Für Eltern-Kind-Tandemfahrten stehen zwei Systeme zur Auswahl: Tandemkupplungen und Tandemstangen. Die Grundmechanik ist bei beiden Systemen ähnlich. Eltern- und Kinderfahrrad sind durch das Tandemsystem miteinander verbunden. Das Vorderrad des Kinderfahrrads wird aufgebockt und schwebt in der Luft. Die Eltern fahren vor und ziehen ihre Kinder auf dem eigenen Fahrrad hinter sich her. Die Kinder auf dem angehängten Fahrrad können nicht mehr selbst lenken, aber bei niedrigen Geschwindigkeiten in die Pedale treten und so für zusätzlichen Schub sorgen. Bei höheren Geschwindigkeiten wird das Mittreten jedoch schwieriger, da das Kinderfahrrad aufgrund seiner geringeren Größe schneller in den Leerlauf geht und die Kinder ohne Widerstand in die Pedale treten.
Bei der Wahl des optimalen Tandemsystems sollten Eltern die Größe des Kinderfahrrads und das Gewicht des Kindes beachten. Einige Systeme sind nur bis zu einem Körpergewicht von maximal 30 Kilogramm zugelassen. Außerdem sollte das Kinderfahrrad weder zu klein noch zu groß sein: Für eine sichere Fahrt sollte das eingehängte Vorderrad des Kinderfahrrads etwa fünf Zentimeter über dem Boden schweben. So sitzen die Kinder noch aufrecht auf ihrem eigenen Rad und der Abstand nach unten ermöglicht das Überfahren von Kanten, Schwellen und Unebenheiten, ohne dass das Fahrrad aufsetzt. Neben der Kompatibilität zu den Fahrrädern sollten Eltern beim Kauf eines Abschleppsystems unbedingt auch auf Qualität und Verarbeitung achten. „Schlechte Verarbeitung und instabiles Material erschwert die Montage und führt zu wackligen Fahrten, bei denen Kinder Angst bekommen können“, gibt Schneider zu bedenken.
Die Tandemkupplung
Für eine Tandemkupplung befestigen Eltern an ihrem Hinterrad eine spezielle Achse und montieren daran die Kupplung. Am Vorderrad des Kindes wird eine Achsverlängerung und eine so genannte Einhängeklammer angebracht. Das Kinderfahrrad kann dann in die Tandemkupplung eingehängt und gesichert werden - ganz ohne Werkzeug. Will das Kind selbst fahren, wird das Vorderrad aus der Kupplung genommen. Für die Weiterfahrt verbleibt die Kupplung dann eingeklappt am elterlichen Fahrrad. „Ein Vorteil der Tandemkupplung ist die einfache und werkzeuglose Montage“, sagt Schneider. „Ein zweiter Vorteil ist, dass der Gepäckträger nicht verbaut wird und uneingeschränkt genutzt werden kann – zum Beispiel für Fahrradkörbe oder zusätzliche Kindersitze.“
Tandemstangen sicher montieren
Tandemstangen werden unter dem Sattel am Rahmen des elterlichen Fahrrads befestigt. Wie ein Teleskoparm ragt die Stange so über das Hinterrad hinaus. Das andere Ende der Tandemstange wird unterhalb des Lenkers am Rahmen oder an der Vorderradgabel des Kinderfahrrads befestigt. Je nach Modell variieren der Befestigungsmechanismus, die Länge, der Biegungswinkel und die Stabilität der Stange. Die meisten Stangen lassen sich einfach montieren und demontieren und können bei Nichtgebrauch zusammengeklappt am Fahrrad verbleiben. „Tandemstangen eignen sich grundsätzlich gut als Abschleppsystem für Eltern und Kinder“, sagt Schneider. „Jedoch sind die Qualitätsunterschiede zwischen einzelnen Modellen gravierend.“ Bei minderwertigen Stangen kann es häufiger zu Materialermüdung und Kupplungsbrüchen kommen. Außerdem kann es große Unterschiede im Fahrverhalten geben. Wackelt die Stange stark, erhöht das die Sturzgefahr für die jungen Mitfahrer:innen. Eltern sollten daher bei der Montage gewissenhaft vorgehen und alle Teile und Verbindungen vor jeder Fahrt kontrollieren. Das Fahrrad des Kindes sollte nur geringes Spiel haben und somit nicht zu weit nach links und rechts pendeln.
Fahrverhalten mit Tandemsystem
Fahrverhalten und Stabilität werden durch das Tandemsystem beeinträchtigt. Das Fahren mit dem Tandemsystem sollten Eltern mit und ohne Kind also üben. Beim Abbiegen und in Kurven ist besondere Vorsicht geboten. „Durch eine starre Tandemstange vergrößert sich der Kurvenradius erheblich“, mahnt Schneider. „Aber auch durch eine Tandemkupplung büßen Eltern an Wendigkeit ein und sollten auf enge Kurven verzichten.“ Stattdessen sollten Eltern stets mit viel Rücksicht auf ihre kleinen Mitfahrer:innen fahren. Schnelle, rasante Fahrten und hohe Bordsteinkanten sind bei Tandemfahrten tabu. Zwar dürfen Kinder bis acht Jahre nicht auf Straßen fahren, doch im Tandem gehören Eltern und Kind nicht auf den Gehweg. Auf Fahrradwegen sind Tandemfahrende daher am besten aufgehoben.