Im Spätsommer und Herbst fahren Landwirte die Ernte ein und sind bei jedem Wetter rund um die Uhr im Einsatz. Gerade auf Landstraßen sind deshalb jetzt viele Traktoren, Mähdrescher und andere Landmaschinen unterwegs. Um die Risiken eines Unfalls zu verringern, müssen Auto- und Motorradfahrer:innen nun besonders auf die langsam fahrenden und sehr breiten Fahrzeuge achten. „Verkehrsunfälle mit tonnenschweren Traktoren und Erntefahrzeugen bergen für andere Verkehrsteilnehmer ein hohes Risiko“, sagt Frank Schneider, Mobilitätsexperte beim TÜV-Verband (VdTÜV). „Durch das sehr hohe Eigengewicht der Trecker, das lange Anhänger mit Zuladung noch erhöhen können, sind die Folgen bei Traktorunfällen häufig dramatisch.“ Eine Kollision mit einem Traktor ist für Motorradfahrer:innen besonders verheerend. Bei einem Frontalaufprall mit einer Geschwindigkeit von 70 km/h haben sie nur geringe Überlebenschancen. Der TÜV-Verband erklärt, worauf sich Verkehrsteilnehmer:innen jetzt einstellen müssen und wie Traktorunfälle vermieden werden können.
Riskante Überholmanöver vermeiden
Selten fahren Traktoren schneller als 40 km/h und häufig staut sich der nachfolgende Verkehr hinter den schweren Maschinen. Dahinter folgende Verkehrsteilnehmer:innen werden ungeduldig und kommen leicht in die Versuchung zu Überholen. Auto- und Motorradfahrer:innen sollten allerdings nur überholen, wenn sie sicher sein können, dass während des gesamten Vorgangs jede Gefährdung und Behinderung des Gegenverkehrs ausgeschlossen ist. „Um einen Traktor mit Anhänger sicher zu überholen, benötigen Autofahrer eine Strecke von etwa 350 Metern und sollten die doppelte Strecke, also 700 Meter, überblicken können“, erläutert Schneider. „Landstraßen sind oft schwer einsehbar, die Fahrbahnen sind durch säumende Bäume eng begrenzt und die Geschwindigkeit des Gegenverkehrs kann leicht falsch eingeschätzt werden. Dadurch kann das Überholen auf Landstraßen schnell gefährlich werden.“ Überholwillige müssen damit rechnen, hinter einer Kurve oder Kuppe auf Gegenverkehr zu treffen. Wer Zweifel hat, ob das Überholmanöver sicher ist, sollte darauf verzichten. „Häufig lohnt es sich, hinter einem Traktor einfach abzuwarten, denn die Landwirte fahren oft nur kurze Strecken zwischen ihren Höfen und Feldern“, sagt Schneider.
Abbiegen und Kreuzen: Abstand halten
Besondere Aufmerksamkeit gilt dann, wenn Traktoren und andere Maschinen abbiegen, ob an Kreuzungen oder in Feldwege. Schneider: „Ausreichender Sicherheitsabstand und ständige Bremsbereitschaft sind das A und O. Das gilt bei jeder Fahrzeugart, aber Traktoren und Erntefahrzeuge haben einen großen Kurvenradius und holen beim Abbiegen nach rechts auch links über die Fahrbahnmitte aus. Große Landmaschinen benötigen für den Abbiegevorgang viel Zeit und fahren sehr langsam um die Kurve.“ Außerdem kann es sein, dass ein Traktor die Sicht auf einen Feldweg versperrt, in den er dann vermeintlich unverhofft abbiegt. Traktorunfälle können vermieden werden, wenn Autos oder Krafträder einen „halben Tacho“ Sicherheitsabstand halten. Bei einer Geschwindigkeit von 50 km/h ist das ein Abstand von 25 Metern. Ausreichender Abstand ist auch deshalb wichtig, weil schlecht gesicherte Ladung vom Traktor auf die Fahrbahn oder die dahinterfahrenden Fahrzeuge fallen kann.
Gefahrenquelle: Verschmutzungen
Eine weitere Gefahrenquelle in der Erntezeit sind Verschmutzungen. Wenn Traktoren die bewirtschafteten Felder verlassen, können Steine, Dreck und Erde auf Straßen gelangen. „An den Ein- und Ausfahrten zu bewirtschafteten Feldern kommt es häufig zu starken Verschmutzungen auf der Fahrbahn,“ sagt Schneider. „Bei Regen wird aus Erdklumpen und Staub dann rutschiger Matsch. Um auf dieser Bauernglätte nicht ins Schleudern zu geraten, ist angemessene Geschwindigkeit und erhöhte Aufmerksamkeit angebracht.“ Autofahrer:innen und Biker:innen müssen achtsam sein, ob Schlammspritzer oder überstehende Ladung die Beleuchtungsanlage der Traktoren und Erntefahrzeuge verdecken. Sind weder Brems- noch Schlusslicht oder Blinker sichtbar, ist es nicht erkennbar, ob Traktoren abbiegen wollen oder bremsen. Auch hier helfen sicherer Abstand und reduzierte Geschwindigkeit, Unfälle zu vermeiden.
Ohne gegenseitige Rücksicht geht es nicht
„Für die Verkehrssicherheit während der Saat- und Erntezeit kommt es auf ein rücksichtvolles Miteinander von Auto-, Motorrad- und Traktorfahrer:innen an“, sagt Schneider. „Rücksichtnahme und vorausschauendes Fahren sind die beste Art, Unfälle zu vermeiden. Darauf weist sogar die Straßenverkehrsordnung gleich im ersten Paragraf hin.“ Auch Landwirte sollten auf riskante Manöver mit ihren schweren Fahrzeugen verzichten. In Kurven, an Kreuzungen und beim Abbiegen müssen sie besonders achtsam sein und langsam fahren. Vor jeder Fahrt sollten sie darauf achten, dass die Beleuchtungsanlagen ihres Traktors und der mitgeführten Anhänger sichtbar, sauber und funktionsbereit sind. Auch müssen Landwirte ein besonderes Augenmerk auf die Sicherung ihrer Ladung sowie das zulässige Gesamtgewicht ihres Erntefahrzeugs legen. Von ihnen verursachte Verschmutzungen auf der Fahrbahn sollten durch ein Warndreieck gekennzeichnet werden und gerade bei Regenwetter sofort entfernt werden.