Am 9. Dezember 2020 hat die Europäische Kommission ihre erneuerte Strategie für die künftige Mobilitätspolitik vorgelegt. Mit 82 Einzelvorhaben und einer begleitenden Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen liefert die Strategie konkrete Ziele für ein intelligentes Verkehrssystem. Den Kontext für die Mobilitätsstrategie bilden die drei großen Themen: Digitalisierung, Green Deal und Resilienz.
Die Digitalisierung ist der größte Treiber für die Modernisierung der gesamten Mobilität. Die EU-Kommission hat das Potenzial von Digitalisierung und Automatisierung erkannt: Sicherheit, Zuverlässigkeit und Komfort der Mobilität können dank digitaler Technologie weiter erhöht werden. Der TÜV-Verband begrüßt diese Erkenntnis ausdrücklich. Die Digitalisierung eröffnet neue Möglichkeiten für höhere Verkehrssicherheit. Mit dem Einsatz moderner Technik kann die EU ihre weltweite Führungsrolle für sichere Mobilität erhalten und weiter ausbauen. Denn obwohl die Straßenverkehrssicherheit in der EU große Fortschritte gemacht hatte, stagniert in den letzten Jahren die Verringerung der Zahl der Verkehrstoten. 2019 kamen trotz der bisherigen Anstrengungen 22.700 Menschen auf den Straßen der EU ums Leben.
Verkehrssicherheit heißt auch, Nachhaltigkeit in der Mobilität zu stärken. Die EU-Kommission hat richtigerweise erkannt, dass es weitere Anstrengungen braucht, um die Menschen noch stärker vor den negativen Auswirkungen der Technik zu schützen. Die EU-Kommission setzt hier die richtigen Akzente und schlägt vor, den bestehenden Rechtsrahmen für die periodisch technische Überwachung von Kraftfahrzeugen so anzupassen, dass die lebenslange Einhaltung der Emissions- und Sicherheitsstandards von Kraftahrzeugen effizient und nachweislich sichergestellt wird.
Der TÜV-Verband begrüßt den Vorschlag, Emissionsmängel an Kraftfahrzeugen auf dem gleichen Niveau wie Sicherheitsmängel zu behandeln. In unserem Positionspapier „Post Euro-6-Norm: Mit modernen Methoden Umwelt und Klima besser schützen“ haben wir bereits im Sommer 2020 auf diese Notwendigkeit hingewiesen. Das Schadenspotenzial nur weniger fehlerhafter Fahrzeuge für die Umwelt und Luftqualität ist enorm, auch wenn diese Mängel an den Fahrzeugen nicht unmittelbar sichtbar sind.
Die Pläne der EU-Kommission für einen angepassten Rechtsrahmen:
- Wie bereits in Deutschland angekündigt, will auch die EU-Kommission mit der Überarbeitung des Verkehrssicherheitspakets eine einheitliche Prüfmethode zur Messung der Partikelanzahlkonzentrationsemission von Kraftfahrzeugen etablieren. Die TÜV-Unternehmen haben hierfür bereits eine praxistaugliche Prüfmethode entwickelt. Die winzigen Partikel sind häufige Ursache für typische Zivilisationskrankheiten wie Arteriosklerose und Atemwegserkrankungen bei Kindern sowie für unerwünschte Geburtsausgänge. Neben der Auswirkung auf die individuelle Gesundheit trägt Kohlenstoff in Feinstaub erheblich zum Klimawandel bei, indem er die Wärme der Sonne absorbiert und die Atmosphäre erwärmt.
- Die EU-Kommission strebt die Entwicklung harmonisierter Prüfverfahren für die technische Überwachung von Kraftfahrzeugen sowie einer Abstimmung der Verfahren mit der Fahrzeug-Typgenehmigung auf EU-Ebene an. Dies erfordert zusätzliche technische Kapazitäten und Ressourcen. Diesen großen zusätzlichen Nutzen durch eine Harmonisierung haben die TÜV-Organisationen erkannt und in den vergangenen Jahren regelmäßig betont.
- Die Prüfstellen für die technische Überwachung der Systeme benötigen Zugang zu relevanten Daten, um den sicheren Betrieb von Fahrassistenzsystemen während der gesamten Lebensdauer eines Fahrzeugs zu gewährleisten. Eine Reihe von Fahrerassistenzsystemen, die ein großes Potenzial zur Vermeidung von Unfällen, werden im Rahmen der überarbeiteten Allgemeinen Fahrzeugsicherheitsverordnung für alle neuen Fahrzeugmodelle (im Jahr 2022) und später für alle Neufahrzeuge (im Jahr 2024) verbindlich vorgeschrieben. Vor diesem Hintergrund hat die EU-Kommission die Forderung der TÜV-Unternehmen nach einem geregelten Datenzugriff aufgriffen.
- Daran anknüpfend unterstreicht die EU-Kommission, dass Daten der Schlüssel sind zur Verbesserung der Verkehrssicherheit. Große Mengen an fahrzeug-generierten Daten, die für das Verkehrsmanagement, die Hauptuntersuchung und die Untersuchung von Unfällen äußerst wertvoll sind, werden bereits in allen aktuellen Fahrzeugmodellen generiert. Die Menge solcher Daten wird mit einem höheren Automatisierungsgrad weiter zunehmen. Für die Nutzung dieser Daten soll ein entsprechender Rechtsrahmen geschaffen werden.
Der TÜV-Verband teilt die Einschätzung der EU-Kommission, dass bislang die rechtlichen und politischen Rahmenbedingungen, für die digitale Vernetzung zwischen Kraftfahrzeugen und Verkehrsmanagement, zwischen öffentlichen und privaten Daten sowie zwischen öffentlichem und individuellem Verkehr nicht ausreichend entwickelt sind. Es gibt keinen Koordinierungsmechanismus auf EU-Ebene, der dazu beitragen würde, die Einheitlichkeit der Einführung und des Managements von intelligentem Verkehr sowie vernetzter und automatisierten Mobilität in ganz Europa zu gewährleisten. Es gibt keine kohärente Art und Weise der Umsetzung einer Typgenehmigung für vernetzte und automatisierte Fahrzeuge und Maßnahmen für deren technische Überwachung.
Der TÜV-Verband und seine Mitglieder werden vor dem Hintergrund dieser konkreten Ziele ihr Engagement zur Verbesserung der Verkehrssicherheit und der Gestaltung einer digital vernetzten Mobilitätslandschaft fortsetzen und den Austausch mit der EU-Kommission weiterhin suchen.